Haushaltsrede der FDP Fraktionsvorsitzenden Kirsten Heuman am 15. Dezember 2020 zur Ratssitzung der Gemeinde Everswinkel
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Seidel,
sehr geehrte Damen und Herren,
Sie, Herr Bürgermeister Seidel, hatten uns gebeten, die Redezeit von 10 Minuten nicht zu überschreiten. Daran will ich mich gerne halten. Aber wie hält man eine Haushaltsrede – zumal es meine erste Haushaltsrede ist – zu einem Haushalt, wo nur schwer vorherzusagen ist, wie es 2021 weitergeht? Seit Jahren erwirtschaften wir einen Jahresfehlbetrag und die Folgen der Corona-Pandemie sind, so wird es im Vorwort des Haushalts richtigerweise erwähnt, nicht abschätzbar. Die Entwicklungen der letzten Jahre sind besorgniserregend und uns Liberalen fehlen schon seit Jahren konkrete Visionen, wie man in absehbarer Zeit die Haushaltslage verbessern will.
Aber Herausforderungen sind dafür da angenommen zu werden und meine Parteikollegen und ich freuen uns auf diese Aufgabe und die daraus resultierenden Diskussionen. Und natürlich haben wir uns die einzelnen Produkte genau angesehen, um zu bewerten, ob die geplanten Ausgaben wirklich notwendig sind.
1. Hauptteil
Wichtige Bauvorhaben, wie zum Beispiel der Ausbau im Bereich der Grundschule Everswinkel sind im Haushalt 2021 mit einer größeren Summe enthalten. Hier hat sich die Verwaltung spät, denn es ist seit langem bekannt, dass der geburtenstarke Jahrgang schon vor einiger Zeit geboren wurde, aber immerhin nicht zu spät auf den Weg gemacht. Wir von der FDP standen immer schon im engen Austausch mit den Schulen und es ist uns wichtig, dass das Bauvorhaben jetzt auch zeitnah umgesetzt wird. Der Bedarf für ein zusätzliches Raumangebot – insbesondere für differenziertes Lernen und die Nachfrage an Betreuungsplätzen in der OGS – wächst seit Jahren. Grundschulkinder in Containern aufgrund des Platzmangels unterzubringen, zu fördern und zu unterrichten kann nicht unser Anspruch sein. Und in diesem für uns wichtigen Punkt sind die geplanten Investitionen gut angelegtes Geld und nicht diskutabel.
Als eine der wenigen freiwilligen Leistungen sind die Schülerbeförderungskosten zu sehen. Da wir aber überaus glücklich sind, dass es bisher gelungen ist, die Grundschule Alverskirchen mit dem besonderen Betreuungsangebot als kleine, aber feine, bisher unabhängige Grundschule zu erhalten, steht auch ein Einschnitt in diesem Bereich für uns nicht zur Diskussion. Vielmehr wollen wir deren Motto „Gemeinsam Stärken ausbauen!“ gerne übernehmen, denn es lässt sich auf so viele Bereiche in unserem Leben übertragen und es ist für uns das beste Beispiel, dass es durchaus gelingen kann, was vorher nicht für möglich gehalten wurde, wenn man gemeinsam und vor allem geschlossen hinter einer Sache steht und alle zusammen an einem Strang ziehen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. Auch hierfür sind Mittel in den Haushalt eingestellt worden. Als wir die Themenfelder unseres Wahlprogrammes aufgestellt hatten – und das war deutlich vor der Pandemie – war es für uns im heutigen Zeitalter schon nicht zu verstehen, dass wir, um eine Sperrmüllabholung zu veranlassen, zunächst ein PDF herunterladen, dieses händisch ausfüllen, ggf. einscannen oder persönlich im Rathaus abgeben müssen. Digitalisierung geht anders. Und Digitalisierung schafft neue Chancen und Möglichkeiten. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Homeoffice-Plätze sind, um
a) Besucher und Mitarbeiter zu schützen und
b) um Behördengänge abzubauen und Arbeitsabläufe effektiver und effizienter zu steuern.
Auch in den Schulen ist das Thema „Digitalisierung“ viel zu lange hinausgeschoben worden. Die Quittung haben wir mit Ausbruch der Pandemie erhalten. Wir waren nicht gut vorbereitet und hier ist einiges auf der Strecke geblieben. Daher ist es richtig und wichtig, dass hier entsprechende Gelder in den Haushalt eingestellt wurden und auch die Fördertöpfe im Blick bleiben, damit der Gemeindehaushalt nicht zu sehr belastet wird.
Wir freuen uns auf die Herausforderungen und Themenfelder, die das Gemeindeentwicklungskonzept mit sich bringen wird. Auch hierfür sind Gelder eingestellt worden. Für uns Liberale ist es wichtig, dass wir perspektivisch und zukunftsorientiert planen und haushalten. Und das nicht nur für einen Zeitraum von 3, 4 oder 5 Jahren, sondern bis zu 10 oder 20 Jahren. Wo wollen wir hin? Wie entwickelt sich unsere Gesellschaft? Das gilt für die Ausweisung neuer Gewerbe- und Baugebiete ebenso wie für die Überplanung im Innenbereich.
Sehr geehrte Damen und Herren, was ist momentan eigentlich für die Gemeinde Everswinkel und für beide Ortsteile – Alverskirchen und Everswinkel – besonders wichtig? Der Frage bin ich nachgegangen und ich bin sehr schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass fast alles mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun hat. Die Ausbreitung und die damit verbundenen Maßnahmen zur Eindämmung treffen die Wirtschaft und die Gesellschaft auf der ganzen Welt hart – und das gilt auch teilweise für unsere Gemeinde. Wir haben hier Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer, die relativ sorgenfrei in die Zukunft blicken können, aber wir haben zum Beispiel auch den Einzelhandel, Friseure, freischaffende Künstler, die Kulturscene, die Eventgastronomie, die Gastronomie und andere Gewerbetreibende, denen die Umsatzzahlen wegbrechen und wo die Beschäftigten durch Kurzarbeit mit weniger Geld auskommen müssen oder sogar um ihren Arbeitsplatz fürchten.
Um am Wichtigsten: Welche Auswirkungen hat dieses Virus über kurz oder lang auf die Gesundheit der Menschen? Wird es Folgeschäden oder sogar erhöhte Todeszahlen geben? Diese Fragen treiben uns Liberalen und viele Bürgerinnen und Bürger in unserer Gemeinde ebenfalls um. Die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie sind noch nicht überschaubar. Eine verlässliche Zukunftsprognose ist derzeit noch reine Kaffeesatzleserei. Daher gilt es in erster Linie Vorsorge zu treffen: Vorsorge in unserem Verhalten zum Schutz für die Gesundheit der Menschen und der Wirtschaft. Denn wie der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland schon vor knapp 200 Jahren erkannt hat, ist Vorbeugen besser als heilen. Ausgaben, die nicht unbedingt notwendig sind und Vorhaben, deren Kosten nicht vollumfänglich abschätzbar sind, sollten unterbleiben.
Das Ziel solider Finanzen und eine stabile Zukunft sollte in unser aller Blick sein.
Ich bin letztens durch eine Nachbargemeinde geschlendert und habe mir die Leuchtschriften angesehen. Da steht zum Beispiel:
Mut: (für mich eine Aufforderung, die Herausforderung anzunehmen und mit kreativen Lösungen und Aktionen das Beste aus der Situation zu machen – und das sehe ich auch bei vielen Selbstständigen und bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Gemeinde)
Hoffnung: (im Vertrauen darauf, dass wir unbeschadet und glimpflich durch diese Krise kommen und wir uns die geplanten Ausgaben leisten können)
Respekt: (vor den zu treffenden Entscheidungen und im Umgang miteinander und füreinander)
Helfen: (hier liegt unsere besondere Stärke und gerade unsere Gemeinde hat durch die Hilfsbereitschaft und durch viele ehrenamtlichen Helfer so manche Krisen gemeistert)
Im Namen der FDP ein besonderes Dankeschön an unsere Kämmerin Frau Susanne Nerkamp und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die Arbeit, die sie in den Haushalt und das Vorwort gesteckt haben. Auch ein herzliches Dankeschön an Herrn BM Seidel, Herrn Jannemann und Herrn Reher, dass sie sich die Zeit genommen haben und bezüglich unserer Fragen zum Haushalt während unserer Haushaltsberatungen persönlich Rede und Antwort gestanden haben.
Und wie Sie den Ausführungen entnehmen konnten, wir haben in den Haushaltsansätzen für 2021 keine für uns gravierenden Dinge gefunden, die uns verlassen könnten, den Haushalt diesbezüglich grundsätzlich abzulehnen. Das sieht für die kommenden Jahre nicht so eindeutig aus. Denn grundsätzlich müssen wir feststellen, dass es „kein weiter so“ geben darf. Die Haushaltsschieflage kann kein Dauerzustand werden. Die FDP stimmt dem Haushalt 2021 zwar in dieser Form zu, aber wir sehen die Haushaltsansätze der kommenden Jahre durchaus kritisch.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund.